Sonntag, 27. Dezember 2009

und plötzlich war ich wieder wach...


mir kommt vor, als wäre ich noch immer auf meiner reise. nur dass das land, in dem ich jetzt bin, nicht ganz in die reihe von ländern passt, die ich zuvor besucht habe. es ist ziemlich kalt, ich bin 12 stunden geflogen und nicht im bus gesessen und ich verstehe plötzlich die meisten menschen auf der strasse, zumindest verbal. außerdem bietet die hiesige tastatur umlaute, von denen ich noch nicht wirklich gebrauch machen will. die drei monate haben nicht nur die tastenbelegung in meinem hirn geändert, sondern auch etwas tiefgreifender meinen kopf ummodelliert.

ich sitze jetzt hier bei meinem letzten eintrag des reiseblogs, was einerseits für mich und meinen magen eine unglaublich erholsame pause von dem weihnachts-essens-wahnsinn ist und andererseits der offizielle abschluss meiner berichterstattung ist. die magenbänder sind bis an die grenzen ihrer dehnbarkeit mit vanille kipferl und anderen leckereien ausgedehnt, der körper produziert auf hochtouren magensaft und insulin (diabetes, ich komme) und ich versuche mit dem blut, dass gerade nicht für die verdauung abkommandiert ist, einen würdigen abschluss zu finden.

seit montag habe ich zum beispiel einen neuen freund gefunden, mr. jetlag besucht mich regelmäßig am frühen abend und er hält mich deshalb ab, mich mit anderen zu treffen oder einfach einen normalen schlafrhythmus zu entwickeln. vor allem die ersten tage waren ziemlich von der müdigkeit geprägt, da ich es nicht  wirklich geschafft habe, im flugzeug zu schlafen. ich habe treffen mit freunden verschlafen und bin beim telefonieren oder der bescherung bei meiner oma eingeschlafen. ich merke aber, ich befinde mich am aufsteigenden ast befinde und glaube ganz fest daran, dass ich es zu silvester schaffe, zumindest bis mitternacht wachzubleiben.

ereignismässig hat sich ja seit dem letzten eintrag auch etliches getan, nicht nur die rückkehr aus bangkok, bei der ich von meinen eltern und julia empfangen worden bin. da ich mit kurzer hose in das flugzeug in thailand gestiegen bin und dann nicht damit gerechnet habe, dass wir nicht direkt an den terminal andocken, habe ich die wunderbare kälte (vollkommen ernst gemeint!) gleich so richtig fühlen dürfen. interessant war für mich dann folgendes:
wir gehen die stiegen vom ausgang des flugzeugs zum bus, der uns zum terminal bringt hinunter, da der erste bus schon mit passagieren voll ist, müssen wir für geschätzte 150 sekunden warten, bis der andere bus bereit steht. die zwei österreichischen pärchen nutzen diese zeit sinnvoll, sich über die schlechte organisation ("sogor bei de nega geht ma direkt in terminal eine") und die politik ("de trottln schmeissn unsa göd fia des[skylink] ausse und donn des") aufzuregen. ich kann mir nicht vorstellen, warum man seine energie zum beschweren über solche ereignisse aufwendet, vor allem wenn ich gerade aus dem urlaub zurück komme.

da kann ich jetzt meine errungenschaft nummer eins ansprechen, diese stimme in meinem kopf, die sich nun wesentlich lauter als noch vor dem urlaub zu wort meldet, wenn ich mich aufrege, ärgere oder ungerecht behandelt fühle. sie mahnt dann zur vernunft, zum durchatmen und nachdenken, ob die situation wirklich all den wirbel wert ist. die sturheit und die realitätsverzerrung durch das ego sind es, die mich zu oft zum überreagieren veranlassen. natürlich hör oder will ich sie nicht immer hören, aber jedes in ruhe gelöste problem kommt einen erfolg gleich, der eine beispielwirkung für den nächsten konflikt hat. danke reise, durch dich hab ich nicht nur gesehen sondern auch erleben können, dass meine lappalien mit wirklichen problemen wenig gemeinsam haben. das schwierige an der ganzen sache ist, dass es mindestens so viele realitäten und wahrheiten gibt, wie menschen auf diesem planeten herumirren und je grösser die differenz zwischen den ansichten, desto mehr muss ich mich darauf konzentrieren, die meinung des anderen nicht sofort zu verteufeln, sie als "falsch" hinzustellen und ihn persönlich deswegen (verbal) anzugreifen. weil was ich als schön empfinde, kann für einen anderen hässlich sein.

seit montag treffe ich viele leute, die sich tatsächlich oder zumindest vorgeben, über meine rückkehr zu freuen. vor allem in rohrbach hätte ich nicht damit gerechnet, dass es so viele gibt, die sich für meine erlebnisse interessieren. dass ich viele fragen zu meiner reise gestellt bekommen, habe ich erwartet, aber dass die dichte der ereignisse nahtlos an den asienaufenthalt anschliesst, konnte ich nicht ahnen. dienstag kam von einer freundin ein anruf, dass in bei ihrer arbeitsstelle ein job als physiotherapeut zu vergeben ist und am nächsten tag unterschreibe ich meinen ersten dienstvertrag. wie bei der reise ergeben sich auch im wirklichen leben genügend chancen, manche sind offensichtlicher (wie diese hier), manche kann man nicht sofort erkennen.

wenn man von leuten öfters gefragt wird, ob man keine angst hat, wenn man alleine unterwegs ist, beginnt man wirklich die risiken der unternehmung zu hinterfragen. das reisen hat im allgemeinen deutlich an abenteuercharakter die letzten jahrzehnte eingebüsst, die gegenden der länder die ich besuchte habe, sind wirklich gut für touristen zugänglich. trotzdem kann immer etwas passieren (alles ist vergänglich, eine lehre aus meinem meditations-schnellsiederkurs), doch das mögliche negative wird von den positiven erfahrungen und erlebnissen bei weiten aufgewogen. für mich war diese reise sehr ähnlich meinem ersten rückwärtssalto vom dreimeterbrett. ich habe mich ewig zum ersten versuch überwinden müssen, vor allem weil man nicht sieht, was hinter einem ist und wo man genau hinspringt hat mich verunsichert. aber dann sieht man, wie andere dabei spass haben, macht sich gedanken über die durchführung eines solchen sprungs, bekommt tipps von freunden und sieht wie es gemacht wird. mit all dem theoretischen wissen und der nötigen portion mut setzt man es dann in die praxis um und springt ab...

es kann natürlich passieren, dass man auf dem rücken oder auf dem bauch landet und man sich weh tut. einerseits vergehen diese schmerzen meistens bald, andererseits ist der spass den man hat, wenn man durch die luft fliegt, die freude, wenn man es geschafft hat und der adrenalinschub dieses risiko wert. wichtig war bei beiden "salti", nicht zu verkrampft und ängstlich abzuspringen, sondern sich locker fallen zu lassen. man kann natürlich vieles bekritteln und sagen, dass man es deutlich besser machen kann. aber das wird es auf alle fälle werden, wenn man es öfters versucht. danke reise, dass du zeigst, dass man ganz einfach mutig sein kann und keine zeit an die möglichen probleme oder versäumnisse verschwenden soll, sondern einfach den moment geniessen soll.

und genau an diesem punkt habe ich, wie wahrscheinlich viele menschen, immer wieder probleme gehabt. man lebt gerne in der zukunft, nimmt sich viel vor und sagt sich, dass DANN alles anders wird. wenn man sich nicht geistig in der zukunft befindet, drehen sich die gedanken allzu oft um die vergangenheit, wo man vergebenen möglichkeiten nachtrauert und fehler bereut. das einzige, was von mir wirklich gestaltet und verändert werden kann, das flüchtige JETZT, vergisst man zu gern. die eigene trägheit oder die gedanken über mögliche konsequenzen sind hauptgründe, warum man die chancen an einem vorüberziehen lässt.


wenn man unterwegs ist, ist man gezwungen, täglich den ersten schritt zu machen und sich auf die derzeitige situation einzulassen, um von dem land, den leuten etwas mitzubekommen. darum sind viele menschen während ihres urlaubs unglaublich glücklich, verspüren eine ungeahnte leichtigkeit und sind zuhause wieder mit dem träumen vom nächsten urlaub beschäftigt. es ist schwieriger, die schönheit im alltag zu erkennen oder genauso gerne dem beruf wie dem schwimmen im meer nachzugehen. sollte das zumindest teilweise gelingen, ist das eine unglaubliche bereicherung des wohlbefindens. ich durfte einen osteopathen bei einem workshop in der schule kennengelernen, der seinen beruf unglaublich gerne ausübt und gemeint hat, dass er, obwohl er fast unentwegt arbeitet, 365 tage im jahr urlaub hat. absolut erstrebenswert!


und somit endet meine reise in der blogwelt eine woche später und sage danke an alle, die mich auf dieser reise unterstützt, ermutigt und auf dem laufenden gehalten haben. zur illustration habe ich einige meiner lieblingsbilder verwendet, die mir mein liebsten reiseutensil, der kamera, ermöglicht hat. sie ist mir ans herz gewachsen, wir haben uns immer besser verstanden und hat mich auf der reise total definiert und geprägt.

schliessen möchte ich mit einem zitat, dass ich nach dem ersten monat meiner reise per mail von meinem papa bekommen habe. jede einzelne zeile kann ich nach diesen 82 tagen unterschreiben und hoffe/wünsche mir, dass ich vielleicht den einen oder anderen dazu angeregt habe, wilhelm buschs aufforderung folge zu leisten!
"Viel zu spaet begreifen viele die versaeumten Lebensziele:
Freude, Schoenheit der Natur, Gesundheit, Reisen und Kultur.
Darum, Mensch, sei zeitig weise.
Hoechste Zeit ist's: Reise, reise!"
Wilhelm Busch (1832 - 1908)


1 Kommentar:

  1. sehr schön! freu mich auf ein wiedersehn in da halle :) lg babsi

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