Mittwoch, 4. November 2009

von lachenden und weinenden augen


das wars, die erste lange station meiner reise habe ich unbeschadet ueberstanden. der erste monat von insgesamt 2 3/4 monaten (ja, mit der zeit nehm ichs mehr als genau! da will ich nichts herschenken!) verstrichen und ich komme wieder dort an, wo ich gestartet bin. oertlich geht es wieder zurueck zum start, aber sonst fuehlt es sich definitiv anders an. in einem monat in einem fremden land, zudem noch ein anderer kontinent samt neuen kultur, es hat sich was getan. was genau sich veraendert hat, kann ich noch nicht so sicher sagen.





dann setz ich auch dort fort, wo ich aufgehoert habe. wir schreiben den 29.10., bruce wird morgen abreisen und gemeinsam mit den belgierinnen sitzen wir zum kaffee trinken im organic cafe. keine ahnung, ob er das schwarze zeug vertragt oder zuviel von irgendeinem anderem zeug dawischt hat, er ist ueberdreht wie ein schulkind. vielleicht will er aber nur von dem abschied seiner tochter ablenken, die einen tag frueher schon richtung usa aufbricht.


nach dem notorischen tandorri-geschlemme geht es gleich drauf zur ebenso schon taeglichen snowman-kuchenverkostung. neben dem kuchenessen komm ich dort auch wieder mit schach in kontakt, zuerst noch passiv und bald sitz ich schau schon vor den 16 figuren und entdecke das spiel fuer mich wieder. der gmuetliche nachmittag bei kaffee und kuchen (wenn ich wieder zuhause bin, muss ich backen lernen) geht in einen entspannten abend im kumaris kaffee ueber.




wer frueh schlafen geht, der wird auch frueh munter. aber was machen, wenn das leben in kathmandu erst gegen halb neun anlaeuft. ich spaziere zum durbar square und treffe dort die koreanische gypsy-lady und zimmernachbarin, die mich gleich zu einem tee herwinkt. 2 tassen und 1 stunde spaeter habe ich wohl eine der abgefahrensten personen kennen gelernt.


irgendwie von der kindheit an immer wieder probleme mit der familie und im freundeskreis gehabt, bis hin zum selbstmordversuch war in ihrer geschichte alles drinnen. sie hat ueber die mutter erde erzaehlt, die ihr kraft gibt und hin und wieder fuer sie als souffleur fungiert, was sie machen soll. zum beispiel weiss sie seit gestern, dass sie wieder zurueck nach indien (varanasi oder goa, kann mich gar nicht mehr so genau erinnern) soll, wo sie die letzten jahre mit yoga, meditation und gypsy-leben verbracht hat. wir machen uns aus, uns am abend noch mal zu sehen, aber von anfang an hab ich das gefuehl, dass unser gespraech am durbar square wohl das letzte aufeinandertreffen sein wird. wir sehen uns noch kurz beim organic cafe und das wars dann auch, wie ich am abend zurueck ins quartier komme, ist ihr zimmer schon leer.




weiters hat sie mich noch vor azli gewarnt und ihn als "black hole", der die energie anderer leute absorbiert. wobei sie womoeglich nicht mal so unrecht hat, weil er mir von seinen unzaehligen bekanntschaften erzaehlt hat, mit denen er gemeinsam gereist ist und dass er eigentlich immer wem um sich gehabt hat. komischerweise haben sich die dann auch ploetzlich aus den staub gemacht. darum werden meine plaene, ihm noch mal wegen der fotos anzusprechen, sofort gestrichen. sollte ich ihm unrecht tun, dann moege er es mir verzeihen, aber so wie sie es erzaehlt hat, ist mir das ganze einfach zu gespenstisch geworden.


am nachmittag ist shopping angesagt. die ersten weihnachtsgeschenke werden schon mal besorgt, nachdem die letzten jahre immer der 24. dezember noch zum last-minute kaufen herhalten musste. das verhandeln war ja in bangkok nicht gerade meine staerke, hier habe ich mich schon etwas geschickter angestellt. wenn beide seiten mit dem preis zufrieden sind, dann ist er auch in ordnung. trotzdem ist es normal, dass man dann am ende bei einem viertel des vorgeschlagenen preises landet.
es wird abend und zum wiederholten mal heisst es in den letzten tagen auf wiedersehen sagen. die belgierinnen arwen und kate, wir haben uns so oft zufaellig irgendwo bei einer busstation oder in einem kaffeehaus getroffen, werden morgen frueh nach hause aufbrechen. damit sind alle leute, die die century lodge so freundlich fuer mich gemacht haben, weg. ich entschliesse mich, am naechsten tag nach nargakot, ca. 2 stunden mit dem bus von kathmandu entfernt, aufzubrechen. die zwei fertigen englaender oder der nervende amerikaner sind auf jedenfalls fuer mich keine gruende, die mich in kathmandu halten koennen. dort soll man ein wunderschoenes bergpanorama geniessen koennen und mit der noetigen portion an wetterglueck sieht man angeblich den mt. everest, seines zeichens hoechster berg der welt. irgendwie eine schoene moeglichkeit, sich vom himalaya zu verabschieden, der mir schoene fotos und noch schoenere erinnerungen beschert hat.
am naechsten morgen werd ich trotz laengerer party nach viel zu frueh munter. nach dem rucksackpacken fuer die abreise und einem fruehstueck entschliess ich mich, wie von muetterlicher seite gefordert einen frisoer aufzusuchen. und weil ich mir denke, dass es problemlos moeglich sein muesste, trotz sprachbarrieren halbwegs auf die gewuenschte laenge des haupthaars hinzuweisen, ist im anforderungsprofil fuer den barber nichts von englischkenntnissen gestanden.


so kommt es auch, dass der wunsch: "a little bit shorter on the sides and leave it like this on the top!" nicht ganz umgesetzt werden konnte. naja, insgesamt 1 1/2 stunden spaeter war der zauber vorbei, die haare weg und ich nicht unbedingt gluecklich. der schnauzer ist als erinnerung an den bart und die haare stehengeblieben, worueber sich manche nicht freuen werden. zumindest kann ich mir jetzt der unterstuetzung der besten menschen laas gewiss sein!



nach nargakot gehts auf bekannt schlechten strassen auf dem dach des buses. dichtes gedraenge sowohl auf dem dach als auch auf der strasse, da viele nepalesen ihren freien samstag mit wunderschoener fernsicht aufpeppen wollen. auf dem luften sitzplatz kommt es wieder dazu, dass ich mit einem jungen ins gespraech komme, der ebenfalls mit seinen freunden einen 1-stuendigen ausflug nach nargakot (fahrtzeit von kathmandu und retour ist ungefaehr 4 stunden) macht. gemeinsam mit den burschen stapfe ich 30 minuten zu dem aussichtsturm, der leider an den dichten wolken und der schlechten fernsicht nicht viel aendern kann.



nachdem ich genug von wolken umhuellte berge bewundert habe, gings zurueck nach nargakot, wo ich ein ziemlich guenstiges zimmer ergattere. dort treffe ich ein bekanntes gesicht, das ich anfaenglich nicht so ganz zuordnen konnte. und dann schiessts mir ein: ich habe ihn am vortag am durbar square fotografiert! so fuehrt das eine zum anderen und ich lerne alvaro (seinen name erfahre ich erst kurz vor seiner abreise), einen schweizer mit italienischen pass kennen.


auf die frage, wie lange er reist, lacht er mal und dann sagt er nur: paar jahre. es sind so ungefaehr 35 lenzen, die er schon auf reisen ist. hauptsaechlich in indien, dass auch er mir total ans herz legt. laut ihm ist das eines der wenigen laender, wo man noch "magic" finden kann. und nebenbei auch gutes hasch. gemeinsam schaun wir premier league und ich erfahre mehr ueber seine geschichte, mit der er wohl mehrere buecher fuellen koennte. vom hotelbesitzer wird er nur liebevoll "grandfather" genannt. er erzaehlt von frueher, als nepal noch untouristisch war, kathmandu ein dorf und die freakstreet sich seinen namen mehr als verdient hatte. hippies, hasch in jedem shop und kuchen ohne ende. damit ist seit 1984 vorbei, sagt er, aber zum glueck gibt es noch platzerl in indien, wo er ungestoert rauchen, meditieren und yoga betreiben kann.


den wecker hab ich mir auf fuenf gestellt, um den sonnenaufgang mitzuerleben. viel zu spaet quael ich mich aus dem bett. alvaro war schon fleissig, aus seinem zimmer duftet es heraus. er bleibt fuer den sonnenaufgang auf dem dach des hotels, ich beeile mich, um rechtzeitig beim aussichtsturm zu sein. wolken und eine nebelsuppe lassen nichts gutes erahnen und nachdem mir ein entgegenkommender motorrad fahrer sagt, dass die wolken immer hoeher aufsteigen, war ich schon sehr nahe am umkehren.

gott sei dank geh ich weiter, denn die sicht wird etwas besser und man kann neben annapurna, manaslu, ganesh und den 6000er und 7000er auch einen weiteren bekannten vertreter aus der bergszene in der ferne erblicken. mt. everest gibt sich persoenlich die ehre und laechelt hin und wieder mit der spitze zwischen zwei bergen und wolken genau in meine richtung, nur fuer mich.

gemeinsam mit einer netten franzoesin, die mit ihrem freund als voluntaer in einer schule fuer weisenkinder arbeitet, schaue ich den wolken beim kommen und gehen zu, so wirklich klar wird es leider aber in keinem moment!

trotzdem hackerl ich auf meiner lebensliste einen weiteren punkt ("hoechsten berg der welt sehen") ab und mache mich wieder auf den weg zurueck nach nargakot und dann weiter nach kathmandu, um noch einige besorgungen vor meiner abreise zu erledigen.


leider war der grandfather nicht mehr im hotel, der besitzer meinte, er ist schon vor einer weile aufgebrochen. von nargakot gehts nach bhaktapur auf einen kurzen stopp, einem sehr schoenem staedtchen im suedosten der hauptstadt, welche durch die vielen handwerksberufe, geschaefte, den geringen verkehr und den noblen eintrittspreis von umgerechnet 10 dollar bekannt ist. im "italian style" [(c) marco] erspar ich mir den eintritt und wimmle dort eigentlich hauptsaechlich city guides ab. man ist vor denen eigentlich nur sicher, wenn man eben einen solchigen an seiner seite hat. also quasi lebendiges, wandelndes und sprechendes leo.

wie es der zufall so will, treffe ich in dem hotel, in dem ich jetzt untergekommen bin, alvaro, der im vis a vis zimmer residiert. also lang haben wir nicht ohne einander auskommen muessen, trotzdem stossen wir mit tees am durbar square darauf an. nicht nur am abend, auch dann am morgen sehe ich ihn dann wieder nahe der freakstreet chai-trinkend sitzen und nach einer epi-anfall akutversorgung haengen wir einen kleinen morgenspaziergang dran, in dem er mir mehr aus seinem leben und von den nepal der 70er berichtet, was aber schon eher dem ende der goldenen zeit fuer alle hippies, freaks (so hiessen die leute, die in den 60er und 70er nach kathmandu kamen, um all das zu machen, wofuer man in europa einige zeit in einer gefaengiszelle sitzen wuerde) und aussteiger entsprach.


das wars, der letzte vormittag in nepal ging fuer mich mit einem lecker yoghurt und einem letzten tandoori essen zu ende. mit dem taxi ging es dann los richtung flughafen. ein freudscher vergesser (das handy war zum aufladen noch in einem mobile shop) ist wohl genug anzeichen, dass es mir hier mehr als gefaellt. leider gehts durch den chaotischen verkehr wieder zurueck. das wars, 4 wochen im eiltempo. und abgehen wuerde mir dieses land schon beim ersten schritt in das flughafengebaeude.


ein mal durchatmen, die traene wegwischen und sich freuen, dass man die chance hat, noch weitere interessante laender kennenzulernen. so ist es gut, weil ich will mir fuer die naechsten urlaube noch genug an sehens- und erlebenswertem aufheben. und ich lehne mich jetzt bei meinem finalen nepal-blog ziemlich weit aus dem fenster, indem ich ein resuemee schreibe. wenn man so ein unterschiedliches land nur so eine kurze zeit kennen lernen konnte, ist der anspruch auf vollstaendigkeit (wenn es den jemals irgendwo geben kann) und objektivitaet (die es wohl nirgends geben wird) nicht vorhanden. aber ich versuche es trotzdem und meine:

nepal ist ein land, in dem man wirklich die wunderbare chance hat, wieder zu sich selber zu finden. obwohl die vielen probleme sehr offensichtlich sind, die armut zum teil wirklich erschreckend wirkt und vielleicht der erste tag unwirklich in erinnerung bleibt, spreche ich diesem ort eine gewisse magie zu. ich habe mich von meinem zweiten tag so wohl gefuehlt, wie ich es nur von zuhause kenne. die kombination aus menschen, stadt, lebensgefuehl und kulturelles setting (tut mir leid, das ist aus meinen lehramtszeiten haengen geblieben; damit die nicht unnoetig waren, muss ich das jetzt bringen) war fuer mich genau richtig und wollte im nachhinein gesehen wohl nicht viel daran aendern wollen (wenn ich es koennte).

in dieser stadt, die mich am anfang etwas erschlagen, spaeter dann auf eine weise gefordert hat, setzt man sich viel mit dem thema armut, entwicklung und gerechtigkeit auseinander und reflektiert (danke lehramtsstudium fuer die naechste wortspende) ueber die eigene rolle als tourist und vor allem als mensch. ich bin davon jetzt, wo ich in nong khai/thailand (die laotische grenze ist gleich ueber dem mae kong) bin, weit entfernt. hier fuehlt sich alles einfach anders an, was moeglicherweise daran liegt, dass das touristische, aufgesetzte und plastikhafte einfach zu offensichtlich ist. die beinharte ehrlichkeit, die man in vielen teilen kathmandus (das touristenviertel thamel gehoert da natuerlich nicht dazu) erlebt, taut eingefrorenen meinungen und bricht eingekrustete denkweisen auf. wahrscheinlich will nicht jeder nun ploetzlich seinen urlaub dort verbringen, aber fuer mich waren diese 4 wochen ein wichtiger schritt nach vorne, zur seite oder auch zurueck. zumindest steh ich und mein weltbild nicht mehr auf demselben fleck. deshalb sehne ich mich jetzt eigentlich schon wieder nach der bergwelt nepals, nach der verruecktheit kathmandus und nach all den interessanten menschen, die teil in meiner gerade wunderschoen eingerahmten erinnerung an nepal sind, die an einem ganz besonderen platz in meinem kopf haengen wird. und ich hoffe, dass ich viel von dieser energie und magie mitnehmen und behalten kann.

und wer jetzt meint, diese saetze sind total ueberzogen und koennen nicht wirklich ernst gemeint seien, dem muss ich ehrlich sagen, dass der letzte absatz genau das ist, was mir seit gestern frueh einfach nicht mehr aus dem kopf gehen will. einem jeden, der vielleicht abseits von netten hotels und inszenierter touristenverehrung seinen urlaub verbringen will, koennte in nepal fuendig werden. und natuerlich kann man in jedem land und ueberall solche plaetze erleben und erfahrungen machen, aber vielleicht ist nepal einfach aufgrund seiner topograpie, geschichte, kultur und vor allem menschen viel grosszuegiger mit diesen erfahrungen. und zum glueck ist diese magie nicht an laender gebunden, man findet sie auch zuhause, bei guten freunden, netten menschen und familie.



3 Kommentare:

  1. Wow,Dominik, ich bin wirklich glücklich, dass du von Kathmandu so viele positive Eindrücke mitnehmen kannst. Grad hoer ich im radio einen bericht aus nepal, vieles davon hab ich in deinen Bericht schon gelesen. Es muss wirklich ein interessantes land sein. Ausserdem danke ich dir für den friseurbesuch, deine frisur ist ja gar nicht so schlecht, muss ich sagen. Besser als vorher. Pass gut auf dich auf und lebe mit allen sinnen. Bussi Mama

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  2. hey domi - danke dafür! in mir arbeiten eigentlich seit beginn unserer reise die gleichen gedanken, über tourismus im allgemeinen, welche rolle man selbst in diesem ganzen trara spielt und über das reisen an sich. hast du wirklich toll geschrieben, respekt, der herr.
    wünsch dir weiterhin viele gedanken und uns solche tollen beschreibungen derselben.
    lg kati

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  3. Lieber Domi, ich (=Axel, Katrins Freund, mit ihr eben auch gerade auf Reisen) bin schwer beeindruckt von deinen Worten. Danke für das Gefühl, das du da mitgibst. Das ist so schön wie ein land selber zu erkunden. Danke nochmal!

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